Ein Artikel von Denise Brodowksi
In den letzten Jahren ist das Konzept der sogenannten Tiny Forests immer populärer geworden. Diese Miniwälder basieren auf der Methode des japanischen Botanikers Professor Akira Miyawaki und wurden ursprünglich entwickelt, um degradierte Waldflächen wieder aufzuforsten. Doch mittlerweile haben sie auch Einzug in Städte gehalten und werden als eine mögliche Lösung für die Herausforderungen des Klimawandels und einer nachhaltigen Stadtentwicklung diskutiert.
Wie können Tiny Forests die Stadtentwicklung unterstützen?
In Zeiten von steigenden Temperaturen, häufigeren Extremwetterereignissen und einer wachsenden urbanen Bevölkerung suchen Städte nach Lösungen, um umweltfreundlicher und lebenswerter zu werden. Tiny Forests könnten hier eine wichtige Rolle spielen, denn sie bieten nicht nur ökologische Vorteile, sondern können auch die soziale und ökonomische Dimension der nachhaltigen Stadtentwicklung unterstützen. In einer systematischen Literaturrecherche wurden erstmals 278 wissenschaftliche Publikationen aus den Jahren 1993 bis 2023 untersucht, von denen 21 Studien in Hinblick auf die Frage, wie Tiny Forest zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung beitragen können, intensiv beleuchtet. Hierbei wurden vor allem die ökologischen, sozialen und ökonomischen Effekte dieser Miniwälder im Kontext urbaner Gebiete analysiert und synthetisiert. Diese Forschungsarbeit liefert wertvolle Einblicke in die Chancen und Grenzen von Tiny Forests für eine nachhaltige Stadtentwicklung.
Dimensionen und Ziele einer nachhaltigen Stadtentwicklung (Quelle: Eigene Darstellung)
Ökologische Aspekte
Die ökologische Dimension der nachhaltigen Stadtentwicklung zielt darauf ab, die natürlichen Ressourcen und Lebensräume für heutige und zukünftige Generationen zu sichern und urbane Ökosysteme als Grundlage der menschlichen Existenz zu erhalten.
Die Ergebnisse mehrerer Studien verdeutlichen sowohl positive Effekte als auch Herausforderungen im Hinblick auf Umweltschutz, Klimaanpassung und Biodiversität.
Beitrag zum Umweltschutz und zur Kohlenstoffspeicherung
Drei Studien belegen den generellen Beitrag von Mikrowäldern zum Umweltschutz. In zehn von 21 Studien wird festgestellt, dass die Miyawaki-Methode den Grünflächenanteil in Städten erhöht und eine schnelle Entwicklung funktionaler Grünflächen ermöglicht. Zwei Studien dokumentieren ein schnelleres Wachstum im Vergleich zu alternativen Methoden, die größere Abstände zwischen den Bäumen oder exotische Arten verwenden. Dies weist auf einen wichtigen Beitrag zur schnellen Entwicklung von Grünflächen und grünen Infrastrukturen hin.
Zusätzlich heben sieben Studien das erhöhte Potenzial zur Kohlenstoffspeicherung hervor. In einer Studie ermitteln die Autoren eine höhere Kohlenstoffspeicherung des Tiny Forests von 6,25 tCO2/ha im Vergleich zu Referenzwerten (1,8-2,5 tCO2/ha), was die Bedeutung von Mikrowäldern als natürliche Kohlenstoffsenken unterstreicht.
Kühlende Effekte und Verbesserung des Mikroklimas
Vier Studien bestätigen, dass Mikrowälder innerhalb von fünf Jahren nach der Pflanzung einen Kronenschluss von über 90 % erreichen und somit kühlende Effekte erzeugen. Dies trägt zur Reduzierung des Urban Heat Island (UHI)-Effekts bei, da die Baumkronen Schatten spenden und durch Verdunstung ein feuchteres Mikroklima entsteht. Daneben wurde festgestellt, dass die Temperaturen in Mikrowäldern niedriger sind als auf mit Rasen bepflanzten Flächen. Weitere vier Studien unterstützen diese Beobachtung und dokumentieren einen positiven Einfluss auf das Mikroklima sowie eine Verringerung des UHI-Effekts.
Verbesserung der Bodenqualität
Sechs Studien zeigen, dass Mikrowälder die Bodenqualität erheblich verbessern. Zwei Beiträge vergleichen die Mikroorganismenaktivität in Mikrowäldern mit der in älteren, natürlichen Wäldern und stellen ähnliche Konzentrationen fest. Zudem verbessern Mikrowälder die Wasserspeicherung und verringern die Bodenerosion, was insbesondere in städtischen Gebieten, die von Bodenverdichtung und -versiegelung betroffen sind, von Bedeutung ist. Daneben konnte eine deutliche Verringerung der Bodenerosion durch die Miyawaki-Methode ermittelt werden, was dazu beiträgt, urbane Böden widerstandsfähiger gegen Starkregenereignisse und Überschwemmungen zu machen.
Entwicklung selbsterhaltender Waldökosysteme
Vier Studien beschreiben, dass sich durch die Miyawaki-Methode innerhalb weniger Jahre ein mehrschichtiges, selbsterhaltendes Waldökosystem entwickelt, das keine weitere Pflege erfordert. Im Gegensatz dazu dokumentieren drei Studien eine unzureichende Ausbildung der unteren Waldschichten, was auf den frühen Kronenschluss zurückgeführt wird, der lichtabhängige Arten beeinträchtigt. Einige Autoren vermuten, dass Mikrowälder ohne entsprechende Managementmaßnahmen langfristig eher die Struktur einer Monokultur entwickeln könnten, was die Produktivität der Ökosystemleistungen mindern würde. Auch invasive Arten können hierbei ein Problem darstellen.
Förderung urbaner Biodiversität
Fünf Studien belegen einen positiven Einfluss von Tiny Forests auf die städtische Biodiversität, insbesondere im Vergleich zu herkömmlichen Grünflächen. Drei Studien weisen jedoch auf eine geringere Biodiversität hin, insbesondere in den unteren Waldschichten, was auf den starken Schattenwurf und das Fehlen naher natürlicher Waldflächen zurückgeführt wird, die Samen übertragen könnten. Untersuchte Studien zur genetischen Vielfalt kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen: Während einige Autoren in ihrem Beitrag eine ähnliche genetische Vielfalt wie in natürlichen Wäldern konstatieren, ermittelten andere eine leicht geringere Genvielfalt.
Soziale Aspekte
Die soziale Dimension der nachhaltigen Stadtentwicklung beinhaltet vor allem die Sicherung der intra- und intergenerationellen Gerechtigkeit, eine hohe Lebensqualität sowie den Erhalt der sozialen Grundgüter. Die systematische Literaturrecherche zeigt auch im Hinblick auf die soziale Dimension der nachhaltigen Stadtentwicklung, dass Tiny Forests vielseitige positive Effekte auf soziale Gerechtigkeit, Bildung und Teilhabe haben. Die Studien beleuchten sowohl die Chancen als auch potenzielle Herausforderungen, die Mikrowälder in urbanen Umgebungen mit sich bringen.
Förderung von (Umwelt-)Bildung und Naturerfahrung
Insgesamt sieben von 21 Studien stellen heraus, dass Miniwälder als Instrumente zur Förderung von Umweltbildung, Naturerfahrungen und Kompetenzaufbau dienen können. Dabei können Tiny Forests in unterschiedlichen Formen genutzt werden, wie etwa als „grüne Klassenzimmer“, Reallabore, Studienprojekte oder im Rahmen von Citizen Science. Diese verschiedenen Ansätze fördern nicht nur den Zugang zu Bildung, sondern schaffen auch Raum für Naturerlebnisse, die insbesondere in städtischen Umgebungen oft begrenzt sind. So können Mikrowälder zur Schaffung von Bildungs- und Lernräumen beitragen, die sowohl für Kinder als auch Erwachsene zugänglich sind.
Partizipation und soziale Teilhabe
In acht Studien wird betont, dass Tiny Forests Möglichkeiten der Partizipation und sozialen Teilhabe bieten. Durch die aktive Einbindung von Stadtbewohnern in die Pflanzung und Pflege können soziale Prozesse gefördert werden, die zur Stärkung des sozialen Zusammenhalts führen. Städte können diese Beteiligung für ihre Handlungsfelder in der partizipatorischen Stadtentwicklung nutzen, um Bürger aktiver in die Gestaltung ihrer Umgebung einzubeziehen. Einige Autoten betonen, dass gemeinsame Aktivitäten in Miniwäldern das soziale Miteinander und die Beziehungen zwischen Stadtbewohnern stärken.
Herausforderungen: Kulturelle Präferenzen und Zielkonflikte
Neben den positiven Aspekten werden auch potenzielle Herausforderungen im Zusammenhang mit Tiny Forests diskutiert. Es wird darauf hingewiesen, dass die strikte Verwendung von Baumarten der potenziellen natürlichen Vegetation (pnV) kulturelle Präferenzen vernachlässigen könnte, was zu gesellschaftlichen Kontroversen führen kann. Dies zeigt, dass in der Planung und Umsetzung Rücksicht auf die kulturellen Bedürfnisse der Bevölkerung genommen werden muss, um Akzeptanz und Inklusion zu gewährleisten.
Darüber hinaus weist eine Publikation auf Zielkonflikte zwischen verschiedenen Akteuren hin, die in den Entwicklungsprozessen von Tiny Forests entstehen können. Die Konkurrenz um begrenzte Flächen und der Einfluss unterschiedlicher Interessensgruppen, wie der Privatwirtschaft, Zivilgesellschaft und öffentlichen Institutionen, können soziale Spannungen verursachen. Diese Konflikte sollten im Rahmen der Stadtplanung bedacht werden, um die positiven Effekte von Miniwäldern nicht zu gefährden.
Ökonomische Aspekte
Die ökonomische Dimension der nachhaltigen Stadtentwicklung konzentriert sich auf die Erfüllung der materiellen Grundbedürfnisse unter Berücksichtigung der planetaren Grenzen. Die Literatur zeigt eine überwiegende Einigkeit darüber, dass Tiny Forests in der urbanen Entwicklung wertvolle ökonomische Netzwerke und Kooperationen fördern können. Gleichzeitig werden aber auch potenzielle Zielkonflikte und Unsicherheiten hinsichtlich der Effizienz und Kosten angesprochen.
Kooperationen und Netzwerke
Vier Studien heben die Bedeutung von Kooperationen zwischen verschiedenen Akteuren hervor, insbesondere zwischen der öffentlichen Hand, Zivilgesellschaft, Privatwirtschaft und Wissenschaft. Diese Zusammenarbeit gilt als entscheidend für die erfolgreiche Entwicklung und Umsetzung. Besonders betont wird, dass Miniwälder auf Flächen von Privatunternehmen eine zentrale Rolle in der Verbreitung der Methode und der Finanzierung, wie es Miyawaki in Japan vorgelebt hat, spielen. Durch solche Partnerschaften lassen sich nicht nur finanzielle Ressourcen mobilisieren, sondern auch der langfristige Erfolg der Projekte sichern.
Zielkonflikte und negative Einflüsse
Allerdings weist eine Publikation auf mögliche Zielkonflikte hin. So kann die Errichtung von Tiny Forests in einigen Fällen die ökonomische Lebensgrundlage der lokalen Bevölkerung beeinträchtigen, insbesondere wenn dadurch der Zugang zu landwirtschaftlich genutzten Flächen eingeschränkt wird. Dieser Konflikt zeigt, dass es bei der Umsetzung wichtig ist, potenzielle Auswirkungen auf bestehende Nutzungen und Interessen sorgfältig abzuwägen, um negative ökonomische Folgen zu vermeiden.
Effizienz und Kosteneffizienz
Im Hinblick auf das ökonomische Kriterium des effizienten Einsatzes von Investitionen und die Kosteneffizienz der Tiny Forests herrscht in der Literatur Uneinigkeit. Während die geringe Pflegeintensität nach der Pflanzung in einigen Fällen als Vorteil gesehen wird, legen andere Beiträge nahe, dass kontinuierliche Managementmaßnahmen erforderlich sind, um die Funktionalität und Struktur der Wälder zu erhalten. Dies könnte zu unerwarteten Folgekosten führen. Aufgrund der widersprüchlichen Erkenntnisse zur Entwicklung der unteren Vegetationsschichten in Miniwäldern ist kein klares Ergebnis darüber ableitbar, ob Mikrowälder langfristig kosteneffizient im Management sind.
Weitere Erkenntnisse
Zusätzlich zu den analysierten Forschungsbeiträgen, die die konkrete Anwendung der Miyawaki-Methode thematisierten, gibt es weitere zwölf Studien, die Empfehlungen zur Methode aussprechen, ohne auf die praktische Umsetzung einzugehen. Diese Studien konzentrieren sich vor allem auf die schnelle Entwicklung von Grün- und Waldflächen in städtischen Gebieten, die Minderung des städtischen Hitzeinseleffekts (UHI) und den gesteigerten Nutzen der Ökosystemleistungen in Städten. Bemerkenswert ist, dass diese Beiträge alle zwischen 2020 und 2023 veröffentlicht wurden, was auf die Aktualität und Popularität von Tiny Forests und der Miyawaki-Methode hindeutet.
Fünf weitere Studien analysieren die Methode in ländlichen oder speziellen Umgebungen. So betont eine Studie, dass die Methode, im Gegensatz zu anderen Ansätzen, die nicht-heimische Baumarten integrieren, eine schnellere und effektivere Wiederaufforstung mediterraner Wälder ermöglicht. Daneben werden positive Effekte auf die Bodenqualität und die Restauration degradierter Waldflächen in ländlichen Gebieten aufgezeigt. Zwei Studien untersuchen den Einsatz der Miyawaki-Methode bei der Stabilisierung von Abladehängen und der Rehabilitation ehemaliger Eisenminen. Sie fanden heraus, dass die Methode eine höhere Überlebensrate der Pflanzen und eine schnellere Baumentwicklung im Vergleich zu traditionell verwendeten Methoden fördert.
Fazit der Literaturrecherche
Die durchgeführte Literaturrecherche verdeutlicht, dass Tiny Forests in den Bereichen Umwelt, soziale Gerechtigkeit und lokaler Ökonomie wertvolle Beiträge leisten können. Sie verbessern das Stadtklima, fördern die Biodiversität und bieten Raum für Bildung und soziale Teilhabe. Gleichzeitig gibt es jedoch Zielkonflikte und Unsicherheiten, insbesondere in Bezug auf die ökonomische Dimension und die langfristige Pflege der Wälder.
Es ist klar, dass Tiny Forests allein nicht alle Herausforderungen der nachhaltigen Stadtentwicklung lösen können. Sie bieten zwar wichtige ökologische, soziale und ökonomische Vorteile, können aber nicht alle Handlungsfelder der urbanen Nachhaltigkeit abdecken. Insbesondere in Bereichen wie Energieeffizienz, Ressourcenverbrauch oder nachhaltiger Mobilität spielen sie eine untergeordnete Rolle. Auch die Fragen zur langfristigen Kosteneffizienz und den möglichen negativen sozialen Auswirkungen wie Gentrifizierung müssen noch weiter erforscht werden.
Handlungsempfehlungen aus der Forschung
Die systematische Literaturrecherche legt nahe, dass es mehrere konkrete Maßnahmen gibt, um das Potenzial von Tiny Forests in städtischen Gebieten optimal zu nutzen:
Langfristige Kooperationen: Eine erfolgreiche Umsetzung von Tiny Forests erfordert die Zusammenarbeit zwischen Bürgern, Behörden, der Privatwirtschaft und der Wissenschaft. Nur durch diese Kooperationen können geeignete Flächen bereitgestellt, Finanzierungen gesichert und die Projekte langfristig gepflegt werden.
Bürgerbeteiligung fördern: Die aktive Einbindung der Bevölkerung ist entscheidend, um soziale Effekte wie die Förderung des Gemeinschaftsgefühls und der Umweltbildung zu maximieren. Dies kann durch partizipative Planungsprozesse und regelmäßige Pflegeaktionen geschehen. Bürger sollen von Beginn an in die Projekte involviert werden.
Monitoring und Forschung ausbauen: Es ist notwendig, die ökologischen und sozialen Auswirkungen von Tiny Forests systematisch zu überwachen. Dies kann helfen, Fehlentwicklungen wie unzureichende Biodiversität in den unteren Schichten oder Gentrifizierung frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern. Zudem könnten digitale Monitoring-Tools und Citizen Science Ansätze helfen, den Aufwand zu reduzieren und die Bürger stärker einzubinden.
Skalierung und Öffentlichkeitsarbeit: Um Tiny Forests breiter zu etablieren, sollten erfolgreiche Projekte durch Öffentlichkeitsarbeit bekannter gemacht werden. Eine stärkere Vernetzung von Initiativen auf globaler Ebene kann dazu beitragen, bewährte Praktiken auszutauschen und neue Projekte zu fördern.
Flächennutzung optimieren: In vielen Städten ist der Platz begrenzt. Eine sorgfältige Planung ist notwendig, um Konflikte zwischen verschiedenen Nutzungsinteressen zu minimieren. Hier könnten geografische Informationssysteme und formelle Planungsinstrumente wie Flächennutzungspläne helfen, geeignete Gebiete für Tiny Forests zu identifizieren.
Fazit
Tiny Forests sind eine innovative und vielversprechende Maßnahme zur Förderung der nachhaltigen Stadtentwicklung. Sie bieten sowohl ökologische als auch soziale Vorteile und tragen zur Klimaanpassung sowie zur Verbesserung der Lebensqualität in Städten bei. Um ihr Potenzial jedoch voll auszuschöpfen, bedarf es weiterer Forschung, insbesondere in Bezug auf die langfristige Pflege, die Vermeidung von Zielkonflikten und die Maximierung ihrer ökonomischen Effizienz.
Die Erkenntnisse aus der Literaturrecherche zeigen, dass Tiny Forests ein wichtiger Baustein einer grünen und nachhaltigen Stadtplanung sein können – vorausgesetzt, sie werden gut in die komplexen Bedürfnisse urbaner Räume integriert.
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