Hast du schon mal eine 300-jährige Buche gesehen? Oder eine 800 Jahre alte Eiche? Wer aufmerksam in unseren Wäldern unterwegs ist, dem wird auffallen, dass alte Bäume dort eher eine Seltenheit sind. Dabei wären grade diese Bäume so wichtig für funktionierende, klimaresiliente Ökosysteme. Und auch unsere Geisteshaltung könnte durch ihre Anwesenheit verändert werden.
Der Wald- eine vernetzte Gemeinschaft
Durch Kartierungen unterirdischer Pilznetzwerke konnte gezeigt werden, dass die größten und ältesten Bäume die am stärksten vernetzten Knotenpunkte im Wald sind. Diese stark vernetzten Bäume, die auch als Mutterbäume bezeichnet werden, teilen ihren überschüssigen Kohlenstoff und Stickstoff über das Mykorrhiza-Netzwerk mit den Sämlingen im Unterholz, was die Überlebenschancen der Sämlinge erhöhen kann. Die Mutterbäume fungieren auf diese Weise als zentrale Knotenpunkte, die mit den jungen Sämlingen um sie herum kommunizieren. In einem einzigen Wald kann ein Mutterbaum mit Hunderten von anderen Bäumen verbunden sein.
Darüber hinaus wurde gezeigt, dass verwandte Sämlinge mehr Kohlenstoff von Mutterbäumen erhalten als fremde Sämlinge. Der Mutterbaum sendet aber auch Kohlenstoff an andere Setzlinge in der Umgebung. Das heißt, auch Bäume unterschiedlicher Arten unterstützen sich gegenseitig.
Bäume sind Teil einer großen, vernetzten Gemeinschaft, in der sie mit ihren Artgenossen und anderen Arten interagieren und auch verwandtschaftliche Beziehungen mit ihren genetischen Verwandten eingehen (Beiler & Simard, 2009).
Alte Bäume als heilige Orte
Seit jeher spielen die Bäume für uns Menschen eine wichtige Rolle. Sie dienen als Begegnungsorte, bieten Schatten und laden zum Verweilen ein. Auch für rituelle Zwecke, Versammlungen oder als Orte der Rechtsprechung nutzten und nutzen wir sie. Bereits in steinzeitlichen Höhlenmalereien finden wir heute Hinweise auf die Verehrung der Bäume. In früheren Zeiten sah man den Baum als Symbol für die Verbindung zwischen Himmel und Erde, der materiellen und der geistigen Welt. Bei den Kelten, Germanen und anderen Kulturen des Bronze-Zeitalters wurde allen Baumarten eine ihnen innewohnende Wesenheit zugeschrieben, mit der man mit etwas Glück in Kommunikation treten konnte. Vor allem in alten, knorrigen Bäumen konnten diese Wesen gefunden werden. Von Mesopotamien und das alte China über Europa bis in den Amazonasregenwald: Bäume haben stets die Geisteshaltung der Menschen geprägt. So fand zum Beispiel Siddharta meditierend unter der Pappel-Feige seine Erleuchtung und wurde zum Buddha. Bis heute haben alte Bäume und heilige Haine für viele Menschen auf der Welt einen wichtigen Stellenwert (Naturwald Akadamie, 2022).
links: Esche in Bergwald Norwegens, Mitte: Rotbuche im Stadtwald Eberswalde, rechts: Weißdorn im Stadtpark Mandal (Norwegen)
Was wir heute tun können
Alte Bäume sind elementar wichtig für die Ökosysteme der Zukunft. Auch wenn wir weiter Holz aus den Wäldern ernten werden, sollten wir darauf achten, eine kritische Anzahl an Bäumen alt werden zu lassen und viele Generationen zu überdauern.
Und auch in der Stadt könnten alte Bäume für mehr Ruhe, Ehrfurcht und Frieden sorgen. Wenn in unseren Tiny Forests in 300 Jahren nur noch ein riesiger Baum steht, um den sich generationsübergreifend gekümmert wurde, dann haben wir viel erreicht! Denn dieser Baum wird für die Menschen in der Zukunft symbolisieren, dass wir heute weise genug waren, ihr Leben nachhaltig zu bereichern.
Diese uralte Ess-Kastanie begegnete unserem Team diesen Sommer in Italiens Bergwäldern. In ihr sitzt ein kleiner Buddha.
Literatur
Beiler, K. J., & Simard, S. W. (2009). Architecture of the wood-wide web: Rhizopogon spp. genets link multiple Douglas-fir cohorts. New Phytologist
Naturwald Akadamie. (2022). Als die Götter noch in den Bäumen lebten. Abgerufen am 2022 von naturwald-akademie.org: https://naturwald-akademie.org/waldwissen/gesundes-und-genuss-aus-dem-wald/heilige-baeume/
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